Das sind die NRW-Pressefotos des Jahres
Veröffentlicht: Dienstag, 09.12.2025 07:44
Beim Journalistenpreis des Landtags Nordrhein‑Westfalen hat ein Foto von Holocaust‑Überlebender Eva Weyl den ersten Platz gewonnen. Das Bild zeigt Weyl in einem TV‑Studio, wo sie für ein Hologramm‑Projekt gefilmt wird. Der Fotograf Bernd Thissen, dpa, erhielt für das Siegerbild Stimme für die Ewigkeit den diesjährigen Preis.

Gewinnerbild erinnert an historische Verantwortung
Das Motiv setzt ein starkes Zeichen: Es rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie sich Geschichte bewahren lässt, wenn direkte Zeitzeugen nicht mehr berichten können. Im Bild wird dokumentiert, wie Erinnerungen an den Holocaust mithilfe moderner Technik konserviert werden – eine Aufgabe, die der Präsident des Landtags in seiner Würdigung besonders betonte.
Der Preis ist Teil des Journalistenpreises, den Landtagspräsident André Kuper 2018 ins Leben rief. In diesem Jahr hatten sich 60 Fotografinnen und Fotografen mit insgesamt 238 Bildern beworben; darunter sechs Nachwuchs‑Teilnehmende bis 30 Jahre. Unterstützt durch die Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda‑Bank West wurden insgesamt 22.000 Euro Preisgelder vergeben, darunter 10.000 Euro für den ersten Platz.
Ausstellung ist ein Rückblick auf ein bewegtes Jahr
Eine Landtagsjury wählte 30 Fotos aus, die ab heute bis Januar im Landtag ausgestellt sind. Besucherinnen und Besucher können sich am kommenden Sonntag, 14. Dezember, von 10 bis 16 Uhr einen Überblick verschaffen.
Die Zusammenstellung bildet ein dichtes Bild des Jahres: Winterwahlkampf zur Bundestagswahl, Kommunalwahlen, verstärkte Wahrnehmung der Bundeswehr, Kriegs‑Flüchtlinge aus der Ukraine und Fußball‑Fieber in Bielefeld. Damit wird der Wettbewerb zum einzigen professionellen Jahresrückblick in Pressefotografie in Nordrhein‑Westfalen.
Platz zwei und drei: Bilder aus dem Krieg und dem öffentlichen Leben
Platz zwei ging an Michael Bause für eine Aufnahme zweier lebensfroher, aber schwer verletzter Jungen nach einem russischen Angriff in der Ukraine; das Foto war am 14. Mai 2025 im Kölner Stadtanzeiger erschienen. Platz drei errang Ina Fassbender mit einem Foto vom 4. September 2025; sie dokumentierte für AFP das erste öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Landtag.
Sonderpreis und Nachwuchswahl
Ein Sonderpreis Das Wahljahr in Nordrhein‑Westfalen, ausgelobt mit 3.000 Euro, ging an Christoph Reichwein für seinen besonderen Blick auf den CDU‑Wahlkampfabschluss in Oberhausen mit Friedrich Merz am 21. Februar 2025.
Über den Nachwuchspreis entschied die Öffentlichkeit: Mehr als 500 Stimmen wurden abgegeben. Eine deutliche Mehrheit sprach sich für ein Foto eines Prozesses vor dem Landgericht Dortmund aus, aufgenommen von Lukas Wittland am 12. Dezember 2024 für die Ruhrnachrichten.
Die öffentliche Abstimmung war Teil des Wettbewerbs‑Verfahrens: Eine von Landtag und Partnern berufene Jury wählte zwei Nachwuchsbilder aus; die Bürgerinnen und Bürger gaben den Sieg. Hinweise zu Ablauf und Beteiligung wurden bereits im Vorfeld kommuniziert.
Das sind die prämierten Fotos

Stellungnahme der Jury:
Die Jury war überzeugt von der Art und Weise, wie Bernd Thissen das Forschungsprojekt der TU Dortmund über die Holocaust-Überlebenden fotografisch in Szene gesetzt hat: Das Bild der Holocaust Überlebenden Eva Weyl ist geprägt von einer inhaltlichen und stilistischen Spannung zwischen der individuellen Abbildung einer Person und der durch die Aufnahmetechnik geprägten Gesamtsituation. Das bildlich überbordende technische Equipment wirkt wie eine theatralische Rahmung und lenkt den Blick unweigerlich auf das Zentrum des Bildes, eine ältere Frau, die etwas verloren auf einem Stuhl sitzt. Dieser Kontrast im Bild betont einerseits die Kraft des Erzählens und symbolisiert die mündliche Überlieferung, anderseits aber sensibilisiert dieser Kontrast im Bild uns für eine kritische Haltung zu einem Vermittlungsformat, das auf immersive Technologien setzt. Die Fotografie fordert uns heraus, die Erinnerungskultur in der ganzen Spannbreite möglicher Rezeptionsformen sensibel zu erforschen. Als Dokument bewahrt das Bild in hervorragender Weise eine dem Thema angemessene und für die journalistische Arbeit notwendige Balance aus Nähe und Distanz.

Stellungnahme der Jury:
Dieser Gegensatz aus Leid und Zuversicht macht dieses Foto außergewöhnlich. Es zwingt uns, hinzusehen. Grausamkeit ist in der Welt, aber das Foto zeigt: Sie hat nicht gewonnen. Das Foto zeigt nicht Schwäche, sondern Stärke. Keine Opfer, sondern Kinder. Keine Überlebenden, sondern Lebende. Nicht nur Gesichter, sondern Haltung. Die fotografische Entscheidung, auf Augenhöhe zu bleiben, begegnet den Kindern mit Respekt und Würde. Sie werden nicht reduziert auf das, was ihnen widerfahren ist. Wir erkennen sie als Individuen – nicht als Schicksale. Michael Bause gelingt hier eine fotografische Nähe, die nicht übergriffig wird. Dieses Foto zeigt, was Pressefotografie im besten Sinne leisten kann: Sie macht sichtbar, sie berührt, sie gibt Raum für Mitgefühl – ohne Voyeurismus. Sie ist wahrhaftig und lässt Zuversicht erkennen. Was wir sehen, erinnert uns daran, warum wir Pressefotografie brauchen – um nicht wegzuschauen, sondern mit dem richtigen Blick hinzuschauen.

Stellungnahme der Jury:
Die Zeitenwende prägt weiterhin die politischen Debatten. Täglich befassen sich Medien mit Fragen der Wehrpflicht, der Fähigkeiten der Bundeswehr, der russischen Provokation. Wir sind nicht im Krieg, wir sind aber auch nicht mehr im Frieden, hat es der Kanzler zusammengefasst. In diese Zeit fällt das Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Landtag. Die Vereidigung der Soldatinnen und Soldaten auf die Verfassung fand nicht mehr hinter Kasernenmauern statt, sondern vor dem Landtag. Dieser Ort dokumentiert: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, verwurzelt in der Gesellschaft, sie steht ein für uns alle. Das Bild ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Pressefotografie im Einfachen das Außergewöhnliche sichtbar machen kann. Der Wechsel der Perspektive zeigt die abstrakte Ordnung des Militärs. Doch inmitten dieser strengen Ordnung steht ein einzelner Soldat, außerhalb der Formation. Diese bewusste Gegenüberstellung von Kollektiv und Einzelperson verleiht dem Bild seine außergewöhnliche Spannung.

Stellungnahme der Jury:
Das Foto hebt sich ab aus den vielen Bildern der Wahlkämpfe, Parteitage und politischen Auftritte. Christoph Reichwein blieb seiner Aufgabe der Berichterstattung treu, dokumentierte aber einen besonderen Moment am Übergang zwischen Backstage und Öffentlichkeit, zwischen Vorbereitung und Auftritt, zwischen Konzentration und Wirkung. Das Bild zeigt Politik als Inszenierung, ohne sie zu bewerten. Die Smartphones im Publikum spiegeln eine moderne politische Kultur wider: Jeder Moment wird zum Bild. Das Foto erklärt politische Realität, macht sie aber auch erlebbar. Es zeigt, dass Demokratie auf Sichtbarkeit angewiesen ist – und dass Pressefotografie diese Sichtbarkeit herstellt. Aber nach eigenen Maßstäben. Es steht dabei in herausragender Weise aber auch stellvertretend für ganz viele, sehr gute Einreichungen, die die Wahlkämpfe des Jahres 2025 tatsächlich in all ihren Facetten zeigen.

Stellungnahme der Jury:
Das Foto hält die Emotionalität eines Augenblicks fest. Die Körperhaltung der beiden Brüder spricht eine eindringliche Sprache. Der eine vergräbt sein Gesicht in den Händen, der andere bricht zusammen, den Kopf auf den Tisch gelegt. Beides sind Haltungen, die kein Wort erklären muss. In diesem Moment verdichtet sich der Verlust ihres Bruders Mouhamed Dramé. Die Fotografie hält diese Realität fest, ohne sie auszubeuten. Sie erlaubt einen Blick, der empathisch ist, nicht voyeuristisch. Die Szene ist eingefasst vom schweren Holz des Gerichtssaals und den farbigen Glasfenstern im Hintergrund – Symbole staatlicher Ordnung, die hier in einem scharfen Kontrast zu den Gefühlen im Vordergrund stehen. Dieses Foto ist ein Beispiel dafür, was Pressefotografie im Kern leisten kann: Sie macht die gesellschaftliche Bedeutung eines Prozesses sichtbar – und gleichzeitig die menschliche Tragweite, die oft dahintersteht.
Bilder werden im Landtag ausgestellt
André Kuper zeichnete die Siegerinnen und Sieger aus. Er unterstrich, dass das NRW‑Pressefoto den Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr ermöglicht und zugleich die wichtige Arbeit der Pressefotografinnen und -fotografen für die Demokratie würdigt.
Die Bilder bleiben bis Mitte Januar im Landtag ausgestellt. Alle Fotos sind zudem online auf der Website des Landtags einsehbar, so dass der Rückblick auch digital zugänglich ist.
Der Wettbewerb ehrt seit 2018 jährlich journalistische Pressefotografie mit Bezug zu Nordrhein‑Westfalen. Das Preisgeld und die Ausstellung sollen das dokumentarische und gesellschaftliche Gewicht der Fotos hervorheben.
Die Jury
Zur Jury des NRW-Pressefotos gehörten:
- André Kuper, Präsident des Landtags
- Roland Geisheimer, Fotograf, Freelens, Verband der Fotografinnen und Fotografen
- Volkmar Kah, Geschäftsführer Deutscher Journalistenverband NRW
- Andreas Müller, Geschäftsführer des Zeitungsverlags Aachen und Mitglied des Vorstands des Zeitungsverlegerverbands NRW
- José Narciandi, Landtagskorrespondent Radio NRW und Mitglied im Vorstand der Landespressekonferenz
- Prof. Elke Seeger, Fotografie und Konzeption, Prorektorin für Studium und Lehre, Folkwang Universität der Künste
- Georg Jorczyk, Grimme-Institut
- Fabian Ritter, Preisträger NRW-Pressefoto 2024